Einblicke in den Täter-Opfer-Ausgleich

Im Rahmen des Fachtags "20 -35 -100 TOA im Blick" im Stuttgarter Rathaus, informierten Jasmina Wiehe (Jugendamt Stuttgart) und Michael Hörmann (Projekt Handschlag Reutlingen) über die außergerichtliche Mediation. Hierbei wurde verdeutlicht, wieso der TOA "mehr als Entschuldigung und Schmerzensgeld" ist und wie "Gefühle und Bedürfnisse im TOA zur Sprache kommen". 

Gerne können Sie sich die Präsentation hierzu anschauen:


Fallbeispiele eines Täter-Opfer-Ausgleichs

Raub und schwere Körperverletzung - kann man da überhaupt noch miteinander reden?

Fünf Jugendliche haben eine 76-jährige Frau überfallen, ausgeraubt und schwer verletzt. Die Frau ist traumatisiert und kann vor der Verhandlung aus lauter Angst nicht mehr schlafen. Beide Seiten wünschen einen begleiteten Austausch in Anwesenheit ihrer Familienangehörigen.
Das Jugendamt führt eine umfangreiche Wiedergutmachungskonferenz, ein Mediationsgespräch unter Einbeziehung des familiären Umfeldes, durch. Die Jugendlichen und ihre Familien erfahren, wie der Überfall die Geschädigte und ihre Familie überrollte und wie Unverständnis, Wut, Angst und Ratlosigkeit herrschten. Die Geschädigte und ihre Familie können viele Antworten auf ihre Fragen bekommen und erfahren, was mit den Jugendlichen nach der Tat passierte: der Vater des einen Jungen beispielsweise erzählt, dass sein Sohn „wie ein Baby weinend" die ganze Nacht zwischen seinen Eltern gelegen hat. Die Jugendlichen entschuldigen sich persönlich. Bei den Erwachsenen herrscht große Betroffenheit und Ratlosigkeit.
Am Ende des emotional sehr intensiven Mediationsgesprächs werden die Aufteilung von 10.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie Regelungen zu Freizeit und Schule der Jugendlichen vereinbart. Ein Jugendlicher wird außerdem in seiner Schule zusammen mit der Tochter der Geschädigten einen Vortrag halten, um zu zeigen, wie schnell aus Spaß bitterer Ernst werden kann. Die Erfüllung der Vereinbarungen läuft bis heute, ein Jahr nach dem Gespräch.


 Erkenntnisreiche Aufarbeitung

Wiedergutmachungskonferenzen nach der Stuttgarter „Krawallnacht“ 

 
Der Eckensee im Stuttgarter Schloßpark ist im Sommer für junge Menschen ein beliebter Treffpunkt zum Chillen. Immer wieder kommt es zu Konflikten untereinander und bei Kontrollen der Polizei zur Konfrontation mit den Beamt*innen. In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni 2021 griffen nach einer Drogenkontrolle junge Menschen die Beamt*innen an, warfen Glas­flaschen und Pflastersteine nach ihnen. Die Gewalt eskalierte weiter und erfasste hunderte der anwesenden jungen Menschen. Streifenwagen wurden demoliert und Läden geplündert. Es dauerte Stunden, bis sich die Lage beruhigte. Der Sachschaden war immens. Die Betroffenheit auf allen Seiten sehr hoch. 
Begleitend zum formellen Strafverfahren wurden Wiedergutmachungskonferenzen zwischen jungen Täter*innen, Polizeibeamt*innen und Ladenbesitzern organisiert. Sieben mehrstündige Konferenzen mit insgesamt 63 Personen wurden im Sitzungssaal des Stuttgarter Rathauses durchgeführt. Sie wurden moderiert von zwei Mediatoren. Im Zentrum standen die persönlichen Erlebnisse der Nacht. Sehr eindrücklich schilderten die Beamt*innen, die erfahrene Gewalt, Familienangehörige ihre Sorge und Bestürzung über die Beteiligung ihre Kinder, die jungen Menschen, wie sie Teil der Ausschreitungen wurden. Wut, Angst, Fassungslosigkeit, Rausch, Adrenalin. Es wurde diskutiert, kritisch hinterfragt, konfrontiert, sich entschuldigt. In fast allen Konferenzen wurde thematisiert, wie man Begegnungsmöglichkeiten und den Austausch zwischen jungen Menschen und der Polizei fördern kann. Schließlich ging es auch darum Wiedergutmachungsaktionen zu vereinbaren, die in die Stuttgarter Bürgerschaft wirken sollten. Diese sollten ein positives Zeichen setzen und aufzeigen, dass die Tatverantwortlichen für das negative Ereignis auch positiv Verantwortung übernehmen können und nicht nur Randale machen. Es wurde u.a. ein präventives Klassenprojekt durchgeführt, Müll gesammelt und ein Fußballturnier organisiert. Daneben wurden Schadenersatzzahlungen an betroffene Geschäfte geleistet. 
Unser Fazit: In den Konferenzen sind intensive Begegnungen zwischen den Beteiligten entstanden. Das offene Gespräch förderte das beidseitige Verständnis füreinander. Man sprach nicht mehr nur über einander, sondern konstruktiv miteinander. 

Weitere Informationen zu den Wiedergutmachungskonferenzen erhalten sie beim Jugendamt Stuttgart, Jasmina Wiehe und Thomas Müller, [email protected] 


Randale vor Altersheim mit überraschendem Ausgang


Ein paar Jugendliche haben einige Bänke zerstört, die vor einem Altersheim stehen. Der Fall wird von der örtlichen Staatsanwaltschaft an die Schlichtungsstelle für Täter-Opfer-Ausgleich weitergeleitet. Eine Mediatorin der Stelle vereinbart mit beiden Parteien ein Gespräch vor Ort, direkt im Altersheim. Im Gespräch stellt sich heraus, dass die Bänke für die alten Menschen den einzigen Kontakt zur Außenwelt darstellen. Die Senioren waren entsprechend entsetzt über ihre Zerstörung. Die Jugendlichen erfahren im Gespräch, wie es den Senioren ging und können ihrerseits erzählen, was aus ihrer Sicht passiert ist: Sie kamen aus einer Kneipe und hatten sozusagen in Bierlaune ohne tieferen Grund auf den Bänken geschaukelt, bis diese zusammenbrachen. Jetzt sind sie betroffen und schämen sich. Im Gespräch entschuldigen sie sich für das, was sie getan haben. Man einigt sich, dass sie in Raten 500 Euro für neue Bänke an das Altersheim zahlen.